95 Storys – Medienwerkstatt für Jugendliche – vom Buchdruck zum Smartphone

 

 „95 Storys“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Nibelungenfestspiel GmbH und der Alisa-Stiftung Worms.
Tobias Steinfeld, der die Medienwerkstatt für Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 17 leitete, beschreibt das Projekt so:
„Was wünschst du dir? In was für einer Welt willst du leben? Wie soll die Zukunft aussehen? Was gefällt dir und was nicht? Was fehlt Worms, was fehlt der Welt?
500 Jahre nachdem Martin Luther seine 95 Thesen in Worms verteidigte, bist du dran. Du schreibst deine ganz persönlichen Wünsche, Meinungen, Hoffnungen, Gesetze oder Beobachtungen auf. Die müssen natürlich an die Öffentlichkeit. Da wir heute wesentlich mehr Möglichkeiten haben, als Luther damals, wollen wir diese auch nutzen: Wir machen Selfies, kurze Videos und Podcasts. Wir schreiben mit der Hand und natürlich drucken wir. Denn wäre der Druck nicht erfunden worden, wären Luther und seine Thesen vielleicht nie berühmt geworden. Am Ende sollen eure Botschaften offline in Worms und eure Storys online über die Stadtgrenzen hinaus für Furore sorgen.“

Flugblatt "Luther vor dem Reichstag in Worms"

Holzschnitt „Luther vor dem Reichstag“ – Foto aus der historischen Druckwerkstatt von Lukas Cranach in Wittenberg

Keine Reformation ohne Buchdruck, aber auch kein Medienereignis ohne Reformation.

Diese historischen Zusammenhänge sollten Jugendliche kennen, wenn sie sich mit den Möglichkeiten seine eigene Meinung in den Medien zu verbreiten befassen. Insbesondere, wenn es sich um ein Projekt als Begleitveranstaltung der Nibelungenfestspiele 500 Jahre nach Luthers Aufenthalt in Worms mit seinem Auftritt vor dem Reichstag handelt.
So erklärt sich, dass ein Druckworkshop des „kleinen Gutenberg“ Bestandteil des Projekts 95 Storys ist.

Die hohen Wohltaten der Druckerei sind mit Worten nicht auszusprechen“, stellte Martin Luther in seinen Tischreden fest und meinte damit vor allem die schnelle Verbreitung der Bibelübersetzung und der reformatorischen Schriften. Luther war  der Erfolgsautor des 16. Jahrhunderts. Seine Bücher machten rund ein Drittel der gesamten deutschsprachigen Buchproduktion aus. Um 1520 kursierten nach Schätzungen etwa 300.000 Exemplare seiner Druckschriften in Deutschland, um 1530 waren es ca. 1/2 Million. Zahlen, die angesichts des damals weit verbreiteten Analphabetismus erstaunlich sind.
Buchdruck und Buchhandel erlebten durch die Reformation einen ungeheuren Aufschwung. Es war aber ein Verhältnis auf Gegenseitigkeit:  Luther hatte also allen Grund, Gott öffentlich zu danken: „Der Buchdruck ist das höchste und größte Geschenk Gottes, weil Gott durch dieses Mittel die wahre Religion bis ans Ende der Welt bekannt machen und in alle Sprachen übertragen will.“ 
aus: Klaus Kösters Der Kampf um den rechten Glauben und die Druckgraphik westfaelische-geschichte/portal/Internet/

Ein Flugblatt kostete zu Luthers Zeiten etwas soviel wie zwei Maß Bier.
Andere wichtige Medien der Zeit waren Flugblatt und Flugschrift. Dabei ist die Flugschrift sozusagen der große Bruder des Flugblatts, umfasste sie doch mehrere Seiten. Damit ist die Flugschrift so etwas wie der Vorläufer der Zeitung. Ein wichtiger Unterschied zu unseren heutigen Flugblättern ist, dass Flugblätter in der Frühen Neuzeit nicht etwa kostenlos verteilt wurden: sie wurden verkauft. Schätzungen gehen davon aus, dass ein Flugblatt etwa den Stundenlohn eines Handwerkers kostete – das entsprach etwa dem Preis von zwei Maß Bier oder einem Dutzend Eiern.
https://www.luther2017.de/

Am 27. und 28. Mai 2021 hatten wir unsere mobile Druckwerkstatt in den Räumen der Alisa-Stiftung in Worms aufgebaut.
In zwei Gruppen – den Corona-Regelungen gemäß mit Abstand und FFP2 Masken – lernten die Jugendlichen das Setzen und Drucken mit beweglichen Lettern, wie es Johannes Gutenberg ungefähr siebzig Jahre vor Luthers Auftritt in Worms erfunden hatte.
Die Kombination von Bild und Text wurde mit den Flugblättern und Flugschriften zu Luthers Zeit zur Steigerung der Popularität Luthers sowie zur Verbreitung reformatorischer Inhalte genutzt.

Thesenblatt Projektteilnehmer
Entsprechend kombinierten die jungen Leute ihre gedruckten Statements mit selbst geschaffenen Linolschnitten. Und schufen so Flugblätter mit ihren eigenen Thesen nach historischem Vorbild.